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25 – Jahre MKK: Literatur und Musik loteten ihre Grenzen aus Lange Nacht in der Stadtbücherei war ein echter Publikumsmagnet – Westfälische Rundschau 25.09.2002

Märkischer Kreis. (MS) Literatur und Musik, Worte und Klänge, Text und Ton in Grenzbereichen, avantgardistisch, experimentell, in Aufbruchsstimmung zu neuen Ufern: In der „Langen Nacht der Literatur und Musik“ in der Lüdenscheider Stadtbücherei, am Samstagabend im Rahmen der „grenzgänge“ anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Märkischen Kulturkonferenz (MKK) in Kooperation mit den „Lichtrouten“ veranstaltet, loteten Musik und Literatur ihre Grenzen aus und wagten sich auf neue Wege.

Anfangs ein wahrer Publikumsmagnet – selbst stehend von hintersten Rangen verfolgten die Zuhörer das Geschehen – zur vorgerückter Stunde Nachtschwärmern vorbehalten, geriet der Abend zum Forum der Begegnung mit ehemaligen Stipendiaten der MKK originellem, ausgefallenem „grenzgänge“-Event. Mit von der Partie, die „Lange Nacht der Literatur und Musik“ zu gestalten, waren Ralf Rothmann (Märkisches Stipendium für Literatur 1986), Reinhard Kaiser (Stipendium 1995), Liane Dirks (Stipendium 1999), „das ensembles mosaik“ unter Leitung von Enno Poppe (Märkisches Stipendium für Musik 1994) sowie das Duo Mitch Heinrich (Stimme) und Florian Stadler (Akkordeon). Kompositionen von Martin Herchenröder (Märkisches Stipendium für Musik 1986), Frank Zabel u.a. rundeten das facettenreiche Geschehen zwischen den Sparten, zwischen Wortklängen und Tongedichten, zeitgenössischer Musik und zeitgenössischer Literatur. Die zunächst angekündigte Lesung von Burkhard Spinnen (Märkisches Stipendium für Literatur 1996) entfiel. In seiner Begrüßung schlug Klaus Cummenerl, Vorsitzender der MKK, einen Bogen von den Lichtrouten zu den „grenzgängen“, als Versuch zu verstehen, strenge Grenzlinien zwischen Literatur, Musik und bildender Kunst aufzubrechen. Nach der unmittelbar vorausgegangenen Vorstellungen der neuen Illuminationen des Graf-Engelbert-Platzes „blinzelten“ die „Lichtrouten“ nicht zuletzt durch die farbige Ausleuchtung des Bücherei-Obergeschoss-Rundgangs in die Veranstaltung hinein.In lockerer, entspannter Atmosphäre ließen sich die Zuhörer auf literarisch-musikalische Zwischentöne ein. Mit Ausschnitten aus neuen, teils noch nicht veröffentlichten Werken bestimmen Ralf Rothmann, Liane Dirks und Reinhard Kaiser das literarische Geschehen. Mit Gedichten und Prosa nah Ralf Rothmann für sich ein. Nach einer Nierentransplantation kehrte sein „Brümmerchen“ (aus: Ein Winter unter Hirschen) aus der Todeszone ins Leben zurück, um unerklärliches Wissen reicher. Dem Thema „Lust“ näherte sich Liane Dirks auf heitere, verschmitzte Art „Als der Herr J. auf dem Trottoir einen Ausrutscher hatte…“, für eine Anthologie geschrieben, nahmen köstliche Peinlichkeiten ihren Lauf. In der noch nicht publizierten Geschichte „Elfenbein und Erleuchtung“ rang Reinhard Kaiser ebenso amüsant um den Zusammenhang von Schrift und Klaviertastatur. Zeitgenössischer Musik in unterschiedlichsten Facetten, äußerst reduziert in der Tonsprache oder zu diffizilen Klangräumen verdichtet, gaben die „grenzgänge“ mit Kompositionen von Orm Finendahl, Martin Herchenröder, Frank Zabel, Alex Arteaga und Enno Poppe breiten Raum. Unter Leitung von Enno Poppe kehrte das „ensemble mosaik“ 1997 aus einer Initiative junger Instrumentalisten und Komponisten der Hochschule der Künste Berlin hervorgegangen, Handschriftenhervor und brach auf zu neuen Ufern. In unterschiedlicher Besetzung reizten die Musiker der Klangfarben von Finnendahls „Fallstudien“ Herchenröders „kontakte(n) III“, Arteagas „Innerhalb „ und Poppes „Holz“ aus – und ließen die Erstaufführung von Frank Zabels „Concerto (per) piccolo“ mit virtuosem Part für die Piccoloflöte, eindrucksvoll interpretiert gelingen. Endgültig verwischten sich die Grenzen zwischen Literatur und Musik in den Beiträgen von Mitch Heinrich und Florian Stadler, Stimme und Instrument, höchst ungewöhnlich, zugleich irritierend wie amüsierend, im Dialog.


Westfälische Rundschau – 19.09.2002 Galeriefest ein Abend für die Sinne Veranstaltung im “Grenzgänge”-Programm

lSERLOHN. (kathi) Einen Abend für die Sinne erlebten die Besucher der Städtischen Galerie am Samstag. Im Rahmen des „Grenzgänge“-Programms der Märkischen Kulturkonferenz fand ein Galeriefest statt, bei dem die verschiedenen Kunstgattungen zusammenfanden: Literatur, bildende Kunst und Musik waren hier vertreten. Dabei waren Lesung. Ausstellung und Klangperformance alle auf ihre Art ungewöhnlich. So die Lesung von Zé do Rock, die schon eher einem Vortrag ähnelte: Der diesjährige Stipendiat der MKK im Bereich Literatur las nicht bloß aus seinen Büchern vor. Er begrüßte seine Zuhörer auf Japanisch, um ihnen dann „ultradoitsh“, „wunschdeutsch“, „siegfriedisch“ und „kauderdeutsch“ans Herz zu legen. Es handelt es sich zum einen um in Rechtschreibung und Grammatik vereinfachte Sprachformen. die der weit gereiste Brasilianer, der deutsch „nicht schwierig und exakt sondern total chaotisch“ finde, in seinen Büchern „fom winde ferfeelt“ und dem „autobiografischen Science Fiction“ „ufo in der küche“ darlegt. In seinem dritten Buch „Deutsch gutt sonst Geld zuruck“ wurde ihm das aber zu öde; hier verkomplizierte er die Sprache wiederum. In der Galerie ließ er das Publikum darüber abstimmen, wie ihr „wunschdeutsch“ aussieht, also welche Regeln der deutschen Orthografie sie gerne revolutionieren würden. Danach stand die bildende Kunst auf dem Programm. Die Besucher wurden von Klaus Danne und Werner lsenberg vom MKK-Vorstand begrüßt und eingeladen, sich nicht nur die Fotos-und Installationen anzusehen, sondern auch mit den Künstlern zu sprechen. Wie Zé do Rock waren nämlich auch Judith Samen und Tom Groll, Stipendiaten dieses und letzten Jahres, zum Galeriefest gekommen. So konnte man sich mit der Düsseldorfer Künstlerin über ihre großen Fotoinszenierungen unterhalten oder den Lüdenscheider Groll zur Technik seiner „Insichtbarkeiten“, fotografisch thermischer Installationen, bei denen aus sich verflüssigendem Wachs fotografische Bilder auftauchen, befragen. Untermalt wurde das Ganze von experimenteller Musik. Paul Fuchs, Bildhauer und Klangkünstler, brachte an seinen ausgefallenen Klangskulpturen Metall zum Vibrieren, Holz zum Summen und Hohlkörper zum Klingen. Hariolf Schlichting, der 1981 das Märkische Stipendium für Musik erhielt und mittlerweile Professor für Viola und Kammernmusik in München ist, setzte Gegenakzente mit der Geige. Nach diesen ungewöhnlichen aber doch sehr eindrucksvollen Klängen, fand der gelungene Abend erst spät seinen Ausklang.


Westfälische Rundschau 19.09.2002 – Ziemlich abgefahren Kunst-Performance mit Kaffee- und Tropfenkochen in Dechenhöhle

LETMATHE. „Das war das Abgefahrenste, das hier je stattfand“ – so das Urteil von Dechenhöhlen- Forscher Dr. Stefan Niggemann über ein Kunstereignis vom Montagabend. An die 30 Personen schieben sich durch die Höhle zu einem Erlebnis der besonderen Art. Von ferne klingen Trompetentöne. Oder ist es das Knurren eines Bären? Dann andere Töne aus der Wolfsschlucht Wolfsgeheul? Dumpfe Töne in regelmäßigen. Abständen erklingen Dann sieht man, dass Kochplatten in‘ der Höhle verteilt wurden, auf die Tropfen von der Decke fallen: Die Geräusche,.die dabei entstehen, werden mit Mikrofonen verstärkt. Resultat: Die Höhle selbst gibt den Takt für das Konzert vor. Von weitem sieht man in der Schlucht Gestalten herumgehen. Die Musiker? Tatsächlich sind sie es, in schwarzen Anzügen mit überdimensional großen schwarzen Afro-Look-Perücken. Sie haben ageslichtprojektoren mit Sand bestreut mit den Fingern malen sie damit Lichtflecken an die Höhlenwand. Eine Kaffeemaschine fängt an zu gluckern, der Duft breitet sich aus. Langsame gleichmäßige Bewegungen vollführen die drei Künstler. Sie sitzen in Liegestühlen spielen ihre Instrumente, trinken Kaffee. Und dann heißt es:,,Es gibt jetzt Kaffee für alle.“ Das Konzert ist zu Ende. Und tatsächlich: die Zuhörer, unter,ihnen MKK-Vorsitzender Klaus Crummenerl, sind begeistert, selbst der jüngste unter ihnen, der dreijährige. Jokubas, klatscht. Was da in der Höhle stattfand, war das „(bar) rage-serenity-project“ der Performance-Künstler Rochus Aust (Trompete), Heinz Friedl (Bassklarinette) und Bosco Pohontsch (Trompete). Im, Rahmen der Reihe„ grenzgänge“ der Märkischen Kulturkonferenz anlässlich ·25 Jahre Stipendienvergabe.wurden alle Preisträger, und so auch Rochus Aust, geladen, Jubiläumsevents zu arrangieren. Aust wählte als Location die ihm aus seiner Kindheit bekannte Höhle und stellte alles unter die Aspekte Wohlfühlen und Stressfreiheit für die Künstler. Die Installation bleibt bis zum 27. September aufgebaut.


Westfälische Rundschau – 18.09.2002 Strapaziös für das Ohr und doch viel Beifall Festliche Stunde beim BHV: Neue Musik mit Herchenröder und Hees

HEMER. Er freue sich, so Martin Herchenröder, dass trotz des großen kulturellen Angebotes am Sonntag die Zuhörer so zahlreich zu seinem Orgelkonzert gekommen seien. Der dennoch überschaubaren Zuhörerrunde in der Ebbergkirche versprach der Siegener Musikprofessor, einst hier Organist und Stipendiat der Märkischen Kultur-Konferenz, eine „Mischung aus ziemlich Alt und ziemlich Neu“. Der Bürger- und Heimatverein hatte zu einer neuen „Festlichen Stunde“ eingeladen. Im Verlauf des sehr interessanten und eigenwilligen Konzertes, das aus· Anlass des 25-jährigen Bestehens der MKK veranstaltet wurde, relativierte sich die angekündigte Musikmischung. Es überwog eindeutig das Neue Werke moderner Komponisten, des Amerikaners Earle Brown ( 1926 – 2002), des Schweden Bengt Hambraeus (1928 – 2000) und Herchenröders eigene Orgel-Improvisationen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung. Eingerahmt wurden sie von J. S. Bachs Präludium Es-Dur BWV 552/1 und der dazugehörigen Fuge. Das Interessante des Konzerts bezog sich auf Herchenröders musikwissenschaftlichen Grundkurs in Notationskunde ‚(bei Bachs Präludium) und der Erläuterung einer grafischen Notation (Brown und Hambreaus). Eigenwillig wurde es, als Daniel Hees, Freund Herchenröders und Kunstprofessor in Siegen, gemeinsam mit dem Organisten „musizierte“. Eine Einheit von „Hören und Sehen“ wollte das Duo herstellen. Verständlich also, dass Herchenröder sich so intensiv der grafischen Notation widmete, eine meist allein aus Zeichen bestehende Vorgabe, die vom jeweiligen Interpreten oft ohne Anleitung des Komponisten umzusetzen ist. Im Sinne eines Komponisten schuf Hees beidhändige, spontane Zeichnungen, die Herchenröder parallel auf der Orgel in Musik umwandeln wollte. Doch Zeichen und Musik gingen nicht immer konform. Herchenröders Improvisationen unterschieden sich manches Mal grundlegend von Hees‘ Zeichengang. Ein Kritikpunkt, der auch in der sich anschließenden Diskussion hervorgebracht wurde. Die musikalische Umsetzung der Brown-Werke „November“ und „Dezember“, beide 1952 entstanden, war phasenweise eher zu verfolgen. Auch hier wieder die grafische Notation, die Herchenröder mit Hilfe eines Overhead-Projektors veranschaulichte. Einzelne senkrechte oder waagerechte Striche stellte der Organist vor: mal als Tontrauben, mal als Akkorde oder als Dreiklangsberechungen verschieden registriert. Dass das Zuhören hier wie auch bei ‚Hambraeus‘ strapaziös war, zeigte die zunehmende Unruhe im Auditorium. Extremes Aufbrausen der Orgel, ein Wegfall melodischer Phasen und ein ungestümes Vorauspreschen, das als Stimmengewirr endete, forderten viel von „Harmonie gewohnte“ Ohren. Dennoch gab es viel Beifall für die Ausführenden, die sich intensiv für die Neue Musik einsetzen. Stefanie Kühlmann-Kick


Westfälische Rundschau – 16.09.2002 Acht Stunden Kunst links und rechts der Lenne Feuerwerk von Rhythmen, Tönen und Worten

Von Carina Turner

Altena. Acht Stunden Kunst, Musik und Literatur am Stück, erst rechts der Lenne, dann links und schließlich überspannend: So sahen am Freitag die „Grenzgänge“ aus – eine Jubiläumsveranstaltung anlässlich des Jubiläums der Märkischen Kulturkonferenz (MKK), die Bewegung in die Innenstadt brachte.

Fünf Stipendiaten hatten den Abend mit den fünf KulturStationen in der Stadt wochenlang vorbereitet. Was jeder einzelne daraus machte, blieb Ihm selbst überlassen. Die Reaktionen reichten von Begeisterung bis zum „Naja“ – an jeder Station. Eine Kunst des Abends war es, sich auf jedes Angebot ganz neu einzulassen und nicht schon an die nächste Station zu denken . Der Einstieg Ist klassisch: Das Ensemble „Giardino musicale“ verwöhnt auf der Burg die Ohren, mit Festmusik aus dem 17. Jahrhundert „Star“ des Konzertes mit Violoncello, Violine, Orgel und Trompete ist da Zink. Das Blasinstrument das die menschliche Stimme  imitiert, hatte im 16. und 17. Jahrhundert in Italien sein goldenes Zeitalter. Die Spieler – ,,Zinkinisten“ – waren berühmt und oft besser bezahlt als Kapellmeister. Die Gaste hören im halb gefüllten Festsaal von einem „Zinkinisten“, der als Turmpfeiffer vom Blitz wurde und einem anderen , der nach Verlust des Gleichgewichts vom Kirchsturm stürzte. Eine Dreiviertelstunde nehmen die Musiker die Besucher in Beschlag, dann sind sie entlassen zur KulturStation 2 auf dem Burg-Rundweg . An der Skulptur von Hannes Forster gibt es das meiste Stirnrunzeln. „Was soll das sein?“ „Auf jeden Fall ist es handwerklich gut gemauert“, sind die höflicheren Kommentare zu der aus handgefertigten Ziegeln erstellten Skulptur mit dem Titel „Über Kreuz“. Rätsels Lösung: Das Kunstwerk soll ein Abbild eines Stützpfeilers sein, wie sie um die Burg zu Dutzenden stehen.

Feuerwerk von Rhythmen, Tönen und Worten

Altena. (ina) Am Deutschen Drahtmuseum wartete Kultur Station 3.

Der Klangtempel von Paul Fuchs besteht aus großem Steinxylophon, langen Ballastsaiten und weiteren überdimensionalen Instrumenten, die Industrietönen in den abendlichen Altenaer Kulturhimmel schicken. Geballt in Betrieb erzeugen sie ein Feuerwerk aus harmonisch aufeinander abgestimmten Tönen. Mittendrin steht Hariolf Schlichtig – und improvisiert versunken auf der Bratsche. Doch bis es dazu kommt, haben viele den Hof wieder verlassen. Der leise und langsame Einstieg, das minutenlange Kugelrollen als Vorspiel für die Improvisationen halt viele Besucher nicht auf dem Platz. Kaum einer weiß, was in den beiden steckt – und der Konzerttitel „Zwischen Föhnhechte und Stahlhagel“ hilft auch nicht weiter. Bevor noch stundenlang die Kugel rollt, zieht ein Teil der Besucher weiter zur Mittleren Brücke, KulturStation 4: Dort, im Eiscafe Cappuccino wird es gemütlich. Bei einer Tasse Cappuccino, leckerem Eis und Sahnewaffeln macht es Spaß, Zé do Rock zuzuhören. Der aktuelle Literatur-Stipendiat der Kulturkonferenz, hat seine Überlegungen über den Sinn und Unsinn der deutsche n Sprache in eine kurzweilige Literatur-Show verpackt, die er gemeinsam mit dem Schauspieler Martin Luning vorträgt. Temperamentvoll stellt Zé do Rock seine witzigen und sprachschöpferischen Schreib- und Lesetechniken vor. Warum die Reform notwendig ist? Zé do Rocks Antwort ist eindeutig : „Das Weib ich sächlich; die Sache ist weiblich!“

Überspannend

Darüber kann jeder auf der letzten Etappe weiter philosophieren. auf dem Weg zur Kulturstation 5 auf dem Behördenparkhaus. Viele laufen an diesem schönen Sommerabend, andere nehmen den Bürgerbus, der zwischen allen Stationen pendelt. Jeder der Lust hat. kommt problemlos in der Dunkelheit am Parkdeck an – und wartet gespannt auf die Lichtskulpturen von Andreas Kaufmann. Burgfräulein verkürzen das Warten mit Kaffee und Snacks. Dann geh t das Licht an – und ein riesiger Mann erscheint auf dem Burgberg. Mehr nicht. Das ist die ganze Kunst. Viele treten den Heimweg an. Keiner sieht den seltenen 6000-Watt-Projektor, der für dieses Kunstwerk nach Altena geschafft werden musste. Kaum einer weiß, dass der riesige Mann auf dem Burgberg Cecil Rhodes ist, ursprünglich abgebildet im Altenaer Drahtbuch auf dem afrikanischen Kontinent und beim Aufbau des Telegrafennetzes mit Hilfe von Draht. Kaum einer weiß, dass der Künstler Andreas Kaufmann ebenfalls in der Dunkelheit steht und gerne von seiner Idee hinter dieser Lichtskulptur und der Verfremdung des Bildes erzählt. Kaum einer merkt, dass das „fehlende“ Bein von Cecil Rhodes nicht hinter den Häusern verschwunden ist, sondern noch auf dem Parkhausdeck steht. Denn er verbindet an diesem Abend nicht wie im Original-Bild Kontinente, sondern mit Draht überspannend die Berge über die Lenneufer hinweg.


Iserlohner Kreisanzeiger – 14.09.2002 Musik ist, wenn die Tropfen in der Höhle fallen lntermediales Kunstereignis mit Rochus Aust

GRÜNE. (rau) Was macht ein Musiker mit dem Zollstock in der Dechenhöhle? Er misst, raus welcher Höhe das Wasser tropft. Nur so weiß er. welche technischen Mittel er braucht. Um das Tropfen in ein musikalisches Hörerlebnis zu verwandeln. Der Performance-Künstler Rochus Aust bereitet eine „begehbare intermediale Installation“ vor. Sie wird am Montag eröffnet.

„Die Höhe. aus der die Tropfen fallen, beeinflusst die Geschwindigkeit und damit die Geräusche, mit der sie unten aufschlagen.“ erläuterte der Künstler bei den gestrigen Vorbereitungen Der aus der Grüne stammende und jetzt in Köln lebende Künstler will die Tropfen auf unterschiedliche Materialien in unterschiedlichen Höhen fallen lassen, damit. ein Spektrum von Geräuschen entsteht. Diese werden von Mikrofonen aufgenommen und in eine Art musikalische Komposition einfliessen. 14 Tage lang wird diese unterirdische Wassermusik rund um die Uhr in der Wolfsschlucht der Höhle zu hören sein. Dabei wird die Musik durch Lichtprojektionen an den Höhlenwänden auch fürs Auge erlebbar gemacht. Der 30-jährige Künstler spricht von virtueller Höhlenmalerei. Das für den Künstler Spannende: Er weiß nicht, was die Natur mit seiner Komposition machen wird. Wie die Musik klingen wird, hängt davon ab, wie viele Tropfen welcher Größe sich wie oft von welchen Stellen lösen, letztlich also vom Wetter über der Höhle. Eröffnet wird das Höhlenkunstereignis, das in die Reihe „grenzgänge“ der Märkischen Kulturkonferenz eingebettet ist, mit einem kleinen Konzert am Montag. 16. September, 20 Uhr. Rochus Aust (Trompete), Heinz Friedl (Bassklarinette). Bosco Pohontsch (Trompete). Fabian Pflaum (Specials) und Markus Aust (Klangregie) verbinden den Klang ihrer Instrumente mit der Musik, die von der Decke tropft. Mit einem ähnlichen Konzert wird die 14-jährige Installation am Freitag, 27 September, 20 Uhr, in der Höhle ausklingen. Der Eintritt zu den Konzerten kostet 6 Euro. Zwischen den Konzerten kann die Installation während der regulären Höhlenführungen ohne zusätzliches Eintrittsgeld erlebt werden.


Altenaer Kreisblatt – 13.09.2002 Kunst-Stücke für kulturelle “Grenzgänger” Programm der Märkischen Kulturkonferenz schlängelt sich wie ein Pfad durch Altena. Mehrere Kulturhaltestellen und Lichtspektakel

Altena. Viele Tortenstücke ergeben eine Torte – „Kunst-Stücke“ am heutigen Freitag ergeben ein rundes Programm zu (fast) allen Bereichen der Kunst wird es ein Pfad durch Altena schlängelt sich das Programm zu dieser Veranstaltung des Kreiskulturamtes, das im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Grenzgänge“ anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Märkischen Kulturkonferenz (MKK) mit aktuellen und ehemaligen Stipendiaten stattfindet. Von der Burg Altena zum Deutschen Drahtmuseum über das Eiscafé Cappuccino in der Stattmitte bis zum gegenüber liegendem Parkdeck an der Bismarckstraße sind klassische Musik von Giardino Musicale, die Ziegestein-Skulptur von Hannes Froster,  Klang-Performances von Hariolf Schlichtig und Paul Fuchs, die „Literatur-Show“ von Zé do Rock und Martin Lüning sowie eine „überspannende“ Lichtskulptur von Andreas M. Kaufmann zu belauschen und zu bewundern. Die einzelnen Veranstaltungsorte können zu Fuß erkundet aber auch mit dem Bürgerbus und weiteren Shuttles bequem angefahren werden. Ortskundige werden auch durch weithin sichtbare Stelzenläufer zum Etappenziel geleitet. Der Eintritt für alle Programmpunkte ist frei. Auch das Deutsche Drahtmuseum wird seine Pforten bis etwa 21 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet halten. Auf der Burg, im Eiscafé Cappuccino und auch auf dem Parkdeck wird für das leibliche Wohl gesorgt. Der kulturelle Spaziergang kann zu verschiedenen Zeiten gestartet werden. Ausgangspunkt ist der Ort, der bei Dunkelheit zum Blickfang wird: Jeweils um 18.30 Uhr und um 19.45 Uhr findet das Konzert des Ensembles „Giardino musicale“ im Festsaal der Burg Altena statt. Hier ertönt Musik der 17. Jahrhunderts auf historischen Instrumenten. Einen architektonischen Kontrapunkt zur mittelalterlichen Burg setzt Hannes Forster mit seiner handgeformten Ziegelstein-Skulptur „Über Kreuz“ auf dem linken Burgweg. Weiter geht der kulturelle Spaziergang hinunter zum Innenhof des Deutschen Drahtmuseums. Um 19.45 Uhr und um 20.45 Uhr konzentriert sich der Bratschist Hariolf Schlichtig zusammen mit Paul Fuchs auf den „begehbaren Musikinstrumenten“. „Ultradoitsh“ geht es in der Kirchstraße zu. Die Höhen und Tiefen der deutschen Schreib- und Verstehweise vermitteln um 20.30 Uhr, 21 Uhr, 21.30 Uhr und 22 Uhr Zé do Rock und Martin Lünning während ihrer „Show“-Lesung im Eiscafé Cappuccino. Aus dem Tal hinauf auf das Behördenparkdeck an der Bismarckstraße führt die letzte Etappe des Kulturexkurses. Gegen 22 Uhr wird hier die Lichtskulptur von Andreas M. Kaufmann auf dem Behördenparkdeck an der Bismarckstraße „enthüllt“. Die Burg und der Burgberg dienen ihm als Projektionsfläche für eine Lichtinstallation zwischen den beiden Lenneufern. Die Lichtskulptur von Andreas M. Kaufmann wird drei Nächte lang über und zwischen Altena strahlen – jeweils bis drei Uhr nachts. Die „Grenzgänger“ werden gebeten, ihre Fahrzeuge auf dem Besucherparkplatz „Langer Kamp“ oder anderen ausgewiesenen Parkmöglichkeiten an der Lenneuferstraße abzustellen. Die Zufahrtstraßen zur Burg sind für die Veranstaltung gesperrt.


Westfälische Rundschau – 13.09.2002 Magnetische Töne am Drahtmuseum, Lichtgestalt im Dunkel des Bergbergs Alles ist vorbereitet für die “Mega-KunstStücke” heute rund um die Burg

Von Corina Turner

Altena. In Millimeterarbeit wird ein riesiger Projektor in einen Bauwagen Im Behördenparkhaus bugsiert; am Drahtmuseum entsteht ein Klangtempel mit schwingenden Blechen und klingenden Steinen: Seit Tagen und zwei Nächten arbeiten die Künstler rund um die Burg auf Hochtouren, damit das Kulturspektakel der Märkischen Kulturkonferenz heute Abend atemberaubend wird.

Fest steht: Den Besuchern werden Augen und Ohren übergehen. Lichtkünstler Andreas Kaufmann ist seit Mittwoch in der Stadt, im Laderaum seines Mercedes-Transporters ein Riesen-Projektor. Die Techniker müssen für den Einsatz des 6000-Watt-Gerätes 63 Ampere in den Bauwagenlegen. „Damit versorgen wir sonst den kompletten Burgrock.“ Der erste Akt ist der Aufbau im engen Bauwagen. Viele Hände werden benötigt, aber es ist zu wenig Platz für alle. „Wenn wir den Stecker einstecken, wird es in ganz Altena dunkel“, frotzelt jemand. Nichts dergleichen. Allein der Projektor bleibt zunächst dunkel. Es gibt Probleme mit der Verkabelung. Nach zwei Stunden folgt der große Moment: Das Gebläse fährt hoch, das Licht geht an, wird immer heller und erreicht den Burgberg. Andreas Kaufmann legt ein 18 x 18 cm großes Dia ein. Die Show ist perfekt. Von rechts ist die Figur am deutlichsten zu erkennen, innerhalb des Projektors wähnt sich der Betrachter in einem Lichttunnel. Der Künstler hat nicht zu viel versprochen mit seiner Aufforderung, sich die ISO Meter hohe Projektion auf dem Burgberg in den nächsten drei Nachten am besten „zu erwandern“. Wenige hundert Meter entfernt, im Hof des Drahtmuseums, wieder Kunst anderer Art: Paul Fuchs und Hariolf Schlichtig sprechen zu den Augen auch die Ohren an. Beim Eintritt in ihren Klangtempel sind Industrierhythmen und klassische Töne zu hören, virtuos harmonierend. Die Künstler stehen in einem Wirrwarr von Kabeln. Denn Paul Fuchs steuert die Industrieklange über Stromimpulse, die er mit d er Hand an einem kleinen Schaltpult mit Magneten aus lös t. Die Finger fliegen nur so hin und her, die Töne folgen, Bronze- und Stahlbleche, Stein-Xylophon und Ballastsaiten arbeiten in der Klangfolge, die Paul Fuchs – gelernter Bildhauer – vorgibt.

Mittendrin steht Hariolf Schlichtig wie ein Fels in der Brandung – die Augen geschlossen, die Bratsche unterm Kinn. Der Bogen in seiner Hand streicht sanft über die Seiten. „Seit zwei Tagen nehmen wir die Atmosphäre dieses Hofes in uns auf, damit Freitag alles passt“, erzählen die beiden später. Sie proben und improvisieren, stundenlang.

Vier Kulturstationen in der Stadt

Die Klangkünstler und Andreas Kaufmann sind heute abend zwei von vier KulturStationen in der Stadt. Das Programm im Überblick: 18.30 Uhr und 19.45 Uhr Konzert Giardino musicale auf der Burg, ab dann durch gehend Skulptur von Hannes Forste, auf dem Burg-Rundweg, 19.45 Uhr und 20.45 Uhr Improvisieren Hariolf Schlichtig und Paul Fuchs im Hof des Drahtuseums, 20.30 bis 22.20 Uhr Lesung mit Zé do Rock im Eiscafé an der Mittleren Brücke, ab 22 Uhr Lichtskulptur von Andreas Kaufmann auf dem Burgberg. Zwischen den Stationen kann ein Busshuttle benutzt werden.


Westfälische Rundschau – 12.09.2002 Mitreißende Spiellaune: Jugendsinfonieorchester entfacht Feuerwerk Konzert im Kulturhaus im Rahmen der “grenzgänge”

Von Monika Salzmann

Märkischer Kreis. Junge Virtuosen in mitreißender Spiellaune, ein hochkarätiger Solist und ein Programm, das betörte: Standing Ovations „verdiente“ sich das Märkische Jugendsinfonieorchester am Sonntagabend im gut besuchten Kulturhaus, im Rahmen der „grenzgänge – Zwischen Kunst, Musik und Literatur“ auf Einladung des Märkischen Kreises und der Märkischen Kulturkonferenz in Lüdenscheid zu Gast.

Aus einem Guss das anspruchsvolle, mit Bravo-Rufen gefeierte Sinfoniekonzert. Zwei Zugaben waren „Pflicht“ für die jungen Künstler. Unter Leitung von Christopher Wasmuth, der seine Musiker souverän durch den Abend führte, galt das Augenmerk des Märkischen Jugendsinfonieorchesters dem Musikdrama Richard Wagners und – mit der Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 – einem Höhepunkt in Antonin Dvoraks sinfonischem Schaffen. Mit Bassbariton Ralf Lukas, 1988 mit dem Märkischen Stipendium für Musik ausgezeichnet und seither – unteranderem – sowohl mit den Wiener Philharmonikern unter Lorin Maazel bei den Salzburger Festspielen als auch mit den Berlinern Philharmonikern unter Claudio Abbado in Japan erfolgreich, bereicherte ein Ausnahmesänger das Geschehen. Brillant, mit welcher Inbrunst und Ausdruckskraft der vielfache Preisträger internationaler Wettbewerbe Wagners „Walküren“-Wotan sang – und mit dem jungen Orchester harmonierte. Schon mit Richard Wagners Siegfried-Idyll stellten sich die Musiker – technisch über jeden Zweifel erhaben – ein Zeugnis erster Güte aus. Einfühlsam, in sanftem, geschwungenen Tonfall, näherten sie sich dem poetischen, effektvollen Werk, das Wagner 1870 zum Geburtstag seiner Frau Cosima schrieb, durchaus, obgleich sich Themen der „Siegfried“ – Oper darin finden, als eigenständige Komposition anzusehen. Dem „Walküren“-Wotan ebnete das eingängige, stimmungsvolle Stück fulminant den Weg. Hervorzuheben die kleine, feine Bläserbesetzung . Mit Wotans Abschied und Feuerzauber drangen das Orchester und Solist Ralf Lukas tief in das Musikdrama Richard Wagners ein. Kraftvoll, leidenschaftlich und hoch dramatisch, greifbar Schmerz, Zerrissenheit und Trauer, schilderten die Musiker tragisches Geschehen. Die Tragödie Wotans, der seinen Sohn Siegmund verliert und seine Tochter Brünhilde bestrafen muss, war nah, fassbar und anrührend präsent. Herrlich erhob sich die Stimme des Solisten über das erweiterte, mit zwei Harfen und großer Bläserbesetzung agierende Orchester. Ausdrucksstark, klar die Aussprache, wunderbar die Intonation, verlieh er Wotans Abschiedsschmerz Größe und Gewicht. Nicht von ungefähr hatte Ralf Lukas 2001 mit seinem ersten kompletten Ring-Zyklus in Münster Erfolg. Mit Dvoraks achter Sinfonie, neben der neunten Höhepunkt seines sinfonischen Schaffens, wandte sich das Orchester einem äußerst populären, durch seinen melodischen Schmelz, seine einnehmende Gelassenheit und raffinierte Instrumentation beliebten Werk zu. Der reichen, überbordenden Erfindungskraft Dvoraks folgend, begaben sich die Musiker auf fantasievolle Pfade. In vier Sätzen – variationsreich der Kopfsatz, kunstvoll das Adagio, melancholisch angehaucht das Scherzo und ein Feuerwerk das Finale – spielten sich die Künstler in die Gunst des Publikums. Frenetischer Beifall ließ nicht auf sich warten.


Westfälische Rundschau – 12.09.2002 Kammermusik vom Feinsten vor leider nur mäßig besetzten Kulturhausrängen MKK-Reihe “grenzgänge” mit Christian Tetzlaff, Diemut Schneider und Bernd Zack

Märkischer Kreis. (MS) Bach gesellte sich zu Mozart, Schumann traf Bruch. Kunstvoll gewobene Tonkunst begegnete dem Charme verspielter, berauschender Heiterkeit. Sanfte, versonnene Poesie fand neben farblich aparten Stimmungsbildern ihren Platz. Bezwingend die Interpretationen, faszinierend die Ausführung.

Kammermusik vom feinsten, differenziert, kreativ, mit technischer Brillanz und Gestaltungsvermögen zum Ausdruck gebracht. Barock, Klassik und Romantik durchmaß das festliche Jubiläumskonzert der Märkischen Kulturkonferenz (MKK) am Montagabend im Kulturhaus in großen Schritten. Dort verwöhnten mit Christian Tetzlaff (Violine), Diemut Schneider (Klarinette) und Bernd Zack (Klavier) im Rahmen der „grenzgänge“, 25 Jahre Märkische Kulturkonferenz, hochkarätige Künstler das Ohr. Ein Erlebnis war es, virtuosen, diffizilen Klängen zu lauschen. Schade nur der mäßige Besuch. Ein volles Haus hätte der Veranstaltung, von den Stadtwerken unterstützt, in jedem Fall besser angestanden. Station im Barock machte Christian Tetzlaff, MKK-Stipendiat für Musik 1985 und regelmäßig auf großen Konzertpodien der Welt zu Gast, zum Auftakt des facettenreichen kammermusikalischen Geschehens mit Johann Sebastian Bachs Partita d-Moll für Violine solo (BWV 1004), ernst in der Stimmung, Grenzen sprengend in der überbordenden Chaconne, kraftvoller Höhepunkt des Werks. Konzentriert durchmaß der Violinvirtuose die fünf Sätze der Suite und öffnete erlesenem Konzertgenuss das Tor. Den Charme Mozart ’scher Leichtigkeit fingen Christian Tetzlaff, Diemut Schneider (MKK-Stipendiatin für Musik 1984 und heute stellvertretende Soloklarinettistin des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters) und Bernd Zack (MKK-Stipendiat für Musik 1979/80) mit dem „Kegelstatt-Trio“ für Klarinette, Viola und Klavier Es-Dur (KV498) ein. In wunderbarer Harmonie – gleitende, unmerkliche Übergänge und reizvolle, präzis aufeinander abgestimmte Klangfarben – präsentierten sein heiter sich verströmendes Kleinod.


Westfälische Rundschau – 10.09.2002 “Grenzgänge”: Auf sonderbaren Wegen durch Deutschland Rochus Aust, Märkisches Jugendsinfonieorchester und Zé do Rock bei der 25-Jahr-Feier der Märkischen Kulturkonferenz

Märkischer Kreis. Gibt es nun einen deutschen Sonderweg, oder nicht? Die Historiker sind sich nicht einig , ob es einen gab, und im aktuellen Wahlkampf wird der Regierung vorgeworfen, sie schlage einen neuen Sonderweg ein. Was aktuelle Künstler dazu meinen, wurde bei dem viereinhalb-stündigen Programm deutlich, das Samstag im Rahmen der 25-Jahr-Feier der Märkisch en Kultur Konferenz (MKK) im Iserlohner Parktheater lief. Fazit: Vieles in Deutschland ist sonderbar.

„Grenzgänge“ war der programmatische Titel des Abends, der vor allem auf das Grenzen überschreitende Miteinander von Kunst, Musik und Literatur anspielt – ein zentraler Gedanke für die Arbeit der MKK. Alljährlich werden junge Vertreter aller drei Sparten mit einem Stipendium ausgezeichnet, um sie in ihr er Arbeit finanziell und ideell zu unterstützen. Einige dieser Stipendiaten präsentierten sich am Samstag im gut besuchten Parktheater. Rochus Aust macht e mit seinen Installationen den Anfang. Gleich im Eingangsbereich hatte der in Iserlohn aufgewachsene MKK-Stipendiat von 1990 etwa 1500 Playmobil-Püppchen mit Trompeten in der Hand aufgebaut. Wie putzig, hätte man meinen können. Bei genauerem Hinsehen erkannte man aber, dass die Männchen militärisch exakt in Reih und Glied standen, allesamt blond und arisch waren und eher an einen faschistoiden Aufmarsch gemahnten . Dazu hob Rochus Aust zu einem ohrenbetäub enden Geschrei an, das an einen japanischen Befehlshaber erinnerte , und marschierte unter grellem Trompeten-Geheul im Stechschritt durch das Theater. Das war dann überhaupt nicht mehr so putzig.

Zehn solcher Installationen aus neuer Musik, virtuell er Kunst und Performance, die alle schon an anderen Orten ausgestellt wurden, hat er unter dem Titel „retroXpect“ im ganzen Parktheater aufgebaut. Und bei vielen gilt das Motto: Der erste Schein trügt. In den meisten Fällen verbirgt sich gerade vor dem Hintergrund der besonderen deutsch en Geschichte eine knallharte politisch-gesellschaftliche Aussage dahinter. Im Anschluss daran wurde es dann geradezu urdeutsch romantisch. Das Märkische Jugendsinfonieorchester, das einst von einem MKK-Stipendiaten gegründet wurde, spielte im großen Saal das „Siegfried-Idyll“ aus Wagners „Ring des Nibelungen“. Mit durchaus reifem Ton bewältigten die jungen Musikschüler ihr anspruchsvolles Programm und zeigten mit Dvoráks siebter Symphonie, dass es anderenorts in Europa zur gleichen Zeit sehr viel schwungvoller und heiterer zuging.

Sprache durch den Wolf gedreht

Für einen skurrilen Schlusspunkt sorgte dann der aktuelle Literatur-Stipendiat Zé do Rock, indem er die deutsche Sprache durch den Wolf drehte und mit seinem selbst entwickelten „Ultra-Doitsch“ eine recht eigenwillige Alternative und überaus verschrobene Geschichten bot. Auch wenn sich das Publikum dabei vor Lachen bog – bloßer Klamauk war das nicht. Rock stimmte über einige deutsche Besonderheiten nachdenklich. Etwa darüber, dass immer mehr Worte von rechten Gruppen in Beschlag genommen und so im normal en Gebrauch tabuisiert werden. So fürchtet er, dass schon bald das Wort „Ausländer“ zu eine m Schimpfwort wird und im Wahn der Political Correctness durch „ausländische Mitmenschen“ ersetzt wird. Das wäre wohl einzigartig auf der Welt und ebenfalls Teil der besonderen Verhältnisse in Deutschland.


Westfälische Rundschau – 09.09.2002 Wo die Kunst auch ‘mal ihre Leber verliert “grenzgänge”-Ausstellung eröffnet


Westfälische Rundschau – 06.09.2002 Dauerhafte Magnetwirkung eines Preises “grenzgänge”: alle 24 Kunst-Stipendiaten der Märkischen Kulturkonferenz dabei

Von Nicole Kirchhoff

Lüdenscheid. Manchmal sind sie sich begegnet. Am Fuße der Burg Altena, auf dem Aussichtsturm ganz im Süden Lüdenscheids, vor der Iserlohner Silhouette: die Nachwuchs-Talente aus Musik, Bildender Kunst, aus der Literatur – die Grenzgänger.

Vermutlich hatte es die wenigsten von ihnen ausgerechnet in den Märkischen Kreis gedrängt. Dessen hoch dotiertes Stipendium jedoch war bereits kurze Zeit nach seiner Installierung ein Magnet für diese Region. Das Stipendium der Märkischen Kulturkonferenz (MKK) feiert nunmehr – wenn man so will – seinen 25. Geburtstag. Ein großes Fest steht bevor, rauschend und nachhaltig, facettenhaft. Es wird sich in den kommend en Wochen durch das gesamte Kreisgebiet schlängeln, voller Stimmengewirr bietet es gleichermaßen Augenschmaus und Lautmalerei: „grenzgänge“.

Auftakt soll heute Abend in Lüdenscheid ein, „dem Hauptstandort der Bildenden Kunst im Kreis“, wie der MKK Vorsitzende Klaus Crummenerl gestern betonte. Um 19.30 Uhr wird in den Museen der Stadt Lüdenscheid eine Ausstellung eröffnet, an der sich alle 24 Bildenden Künstler, die als Stipendiaten im Märkischen Kreis tätig waren, beteiligen. Auch wenn es nicht immer einfach war, den einen oder anderen irgendwo in Europa aufzutreiben… Was den Besucher im Museum und in der Städtischen Galerie erwartet, ist mehr Parcours denn Schau. Deutlich wird natürlich, dass alle Stipendiaten Vertreter einer konkreten, konstruktiven Sichtweise gegenwärtiger Kunst waren und immer noch sind – unabhängig vom jeweiligen Schwerpunkt, von Techniken und erst recht Lebensläufen. Die Fachjury hat sich im zurückliegenden Vierteljahrhundert immer intensiv mit

den jeweiligen Aufgabenstellungen und ihren Einsendungen auseinander gesetzt – und in mal mehr, mal weniger ausgeprägtem Diskurs zum Konsens gefunden. Dabei war Uwe Obier, der kürzlich in den Ruhestand gegangene Leiter der Städtischen Galerie Lüdenscheid, stets ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Impulsgeber. So lag es also nahe, die große Ausstellung zum Jubiläum (zumal unter seiner Federführung) in Lüdenscheid zu zeigen. Objekte und Bilder, Zeichnungen . Fotografien und Video-Installationen sind nun zu sehen , allesamt als Zeugen individueller künstlerischer Entwicklungen, an denen die jeweiligen Arbeitsaufenthalte im Kreis nicht selten wesentlich beteiligt waren. Neben der Ausstellung in Museum und Galerie Lüdenscheid ist noch eine zweite in Iserlohn geplant. Am Samstag, 14. September, wird um 20 Uhr in der dortigen Städtischen Galerie eine Ausstellung mit Werken der amtierenden Stipendiatin Judith Samen und ihres Vorgängers Tom Groll eröffnet.

,,grenzgänge „: Bis zum 29. September. Täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr im Museum und in der Städtischen Galerie Lüdenscheid.


Stadtspiegel – 04.09.2002 “grenzgänge” zwischen Kunst, Musik und Literatur Veranstaltungsreihe vom 06. bis 28. September

Iserlohn/Hemer. (Fa) Die Märkische Kulturkonferenz (MKK) vergibt in diesem Jahr zum 25. Mal Stipendien in den Sparten Kunst, Musik und Literatur. Dieses Jubiläum wird zum Anlass genommen, Kunst, Musik und Literatur in dem Projekt „grenzgänge“ miteinander in einen fruchtbaren Dialog zu setzen.

Die Veranstaltungsreihe ,,grenzgänge“ (6. bis 28. September) ist ein Kooperationsprojekt zwischen der MKK und den Städten Lüdenscheid, Altena und Iserlohn. Die ehemaligen Stipendiaten sowie einige der MKK verbundenen Gäste waren eingeladen, sich an spartenübergreifenden Veranstaltungen zu beteiligen. Neben traditionellen Angeboten gibt es viele neue, innovative und interdisziplinäre Veranstaltungen.

Den Start macht die Ausstellungseröffnung „grenzgänge“ am Freitag, 6. September, um 19.30 Uhr in den Museen der Stadt Lüdenscheid. Einen Tag (Sa., 7. September) später wird der in Iserlohn aufgewachsene Rochus Aust in den Räumen des Parktheaters seine Ausstellung ,,retroXpect“ mit einer konzertanten Begehung um 19 Uhr eröffnen. Um 20 Uhr gibt das Märkische Jugendsinfonieorchester im Parktheater ein Konzert. Es schließt sich eine Show-Lesung mit Zé do Rock und Martin Lüning an. „Vier Arten meinen Vater zu beerdigen“: aus ihrem Buch wird die Autorin Liane Dirks am Donnerstag, 12. September, um 19.30 Uhr in der Iserlohner Stadtbücherei lesen. Ein großes Fest in der Städtischen Galerie Iserlohn steht dann für Samstag, 14. September, auf dem Programm. Nach der Show-Lesung von Zé do Rock um 18.30 Uhr wird die Ausstellung mit Fotografien von Judith Samen und den Fotografisch thermischen Installationen von Tom Groll eröffnet. Eine Klangperfomance mit dem Titel „Föhnhechte und Stahlhagel“ ab 21 Uhr schließt sich an. Gleich zwei Mal werden in der Dechenhöhle „grenzgänge“ vorgenommen. Am 16. und 27. September findet jeweils um 20 Uhr eine konzertante Begehung der intermediale Installation von Rochus Aust mit „brass of the moving image“ statt. „Bild und Klang“ – die interdisziplinäre Performance mit Martin Herchenröder und Daniel Hees kann am Sonntag, 15. September, um 17 Uhr in der Hemeraner Ebbergkirche besucht werden. Mit einem Kulturfest für die ganze Familie am Samstag, 28. September, ab 15.30 Uhr in den Lüdenscheider Museen wird das Projekt ,,grenzgänge“ beendet. Ausführliche Informationen gibt es im Internet unter www.grenzgaenge-mkk.de.