westfaelische-rundschau-18-09-2002-strapazioes-fuer-das-ohr-und-doch-viel-beifall-festliche-stunde-beim-bhv-neue-musik-mit-herchenroeder-und-hees

HEMER. Er freue sich, so Martin Herchenröder, dass trotz des großen kulturellen Angebotes am Sonntag die Zuhörer so zahlreich zu seinem Orgelkonzert gekommen seien. Der dennoch überschaubaren Zuhörerrunde in der Ebbergkirche versprach der Siegener Musikprofessor, einst hier Organist und Stipendiat der Märkischen Kultur-Konferenz, eine „Mischung aus ziemlich Alt und ziemlich Neu“. Der Bürger- und Heimatverein hatte zu einer neuen „Festlichen Stunde“ eingeladen. Im Verlauf des sehr interessanten und eigenwilligen Konzertes, das aus· Anlass des 25-jährigen Bestehens der MKK veranstaltet wurde, relativierte sich die angekündigte Musikmischung. Es überwog eindeutig das Neue Werke moderner Komponisten, des Amerikaners Earle Brown ( 1926 – 2002), des Schweden Bengt Hambraeus (1928 – 2000) und Herchenröders eigene Orgel-Improvisationen standen im Mittelpunkt der Veranstaltung. Eingerahmt wurden sie von J. S. Bachs Präludium Es-Dur BWV 552/1 und der dazugehörigen Fuge. Das Interessante des Konzerts bezog sich auf Herchenröders musikwissenschaftlichen Grundkurs in Notationskunde ‚(bei Bachs Präludium) und der Erläuterung einer grafischen Notation (Brown und Hambreaus). Eigenwillig wurde es, als Daniel Hees, Freund Herchenröders und Kunstprofessor in Siegen, gemeinsam mit dem Organisten „musizierte“. Eine Einheit von „Hören und Sehen“ wollte das Duo herstellen. Verständlich also, dass Herchenröder sich so intensiv der grafischen Notation widmete, eine meist allein aus Zeichen bestehende Vorgabe, die vom jeweiligen Interpreten oft ohne Anleitung des Komponisten umzusetzen ist. Im Sinne eines Komponisten schuf Hees beidhändige, spontane Zeichnungen, die Herchenröder parallel auf der Orgel in Musik umwandeln wollte. Doch Zeichen und Musik gingen nicht immer konform. Herchenröders Improvisationen unterschieden sich manches Mal grundlegend von Hees‘ Zeichengang. Ein Kritikpunkt, der auch in der sich anschließenden Diskussion hervorgebracht wurde. Die musikalische Umsetzung der Brown-Werke „November“ und „Dezember“, beide 1952 entstanden, war phasenweise eher zu verfolgen. Auch hier wieder die grafische Notation, die Herchenröder mit Hilfe eines Overhead-Projektors veranschaulichte. Einzelne senkrechte oder waagerechte Striche stellte der Organist vor: mal als Tontrauben, mal als Akkorde oder als Dreiklangsberechungen verschieden registriert. Dass das Zuhören hier wie auch bei ‚Hambraeus‘ strapaziös war, zeigte die zunehmende Unruhe im Auditorium. Extremes Aufbrausen der Orgel, ein Wegfall melodischer Phasen und ein ungestümes Vorauspreschen, das als Stimmengewirr endete, forderten viel von „Harmonie gewohnte“ Ohren. Dennoch gab es viel Beifall für die Ausführenden, die sich intensiv für die Neue Musik einsetzen. Stefanie Kühlmann-Kick