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Von Carina Turner

Altena. Acht Stunden Kunst, Musik und Literatur am Stück, erst rechts der Lenne, dann links und schließlich überspannend: So sahen am Freitag die „Grenzgänge“ aus – eine Jubiläumsveranstaltung anlässlich des Jubiläums der Märkischen Kulturkonferenz (MKK), die Bewegung in die Innenstadt brachte.

Fünf Stipendiaten hatten den Abend mit den fünf KulturStationen in der Stadt wochenlang vorbereitet. Was jeder einzelne daraus machte, blieb Ihm selbst überlassen. Die Reaktionen reichten von Begeisterung bis zum „Naja“ – an jeder Station. Eine Kunst des Abends war es, sich auf jedes Angebot ganz neu einzulassen und nicht schon an die nächste Station zu denken . Der Einstieg Ist klassisch: Das Ensemble „Giardino musicale“ verwöhnt auf der Burg die Ohren, mit Festmusik aus dem 17. Jahrhundert „Star“ des Konzertes mit Violoncello, Violine, Orgel und Trompete ist da Zink. Das Blasinstrument das die menschliche Stimme  imitiert, hatte im 16. und 17. Jahrhundert in Italien sein goldenes Zeitalter. Die Spieler – ,,Zinkinisten“ – waren berühmt und oft besser bezahlt als Kapellmeister. Die Gaste hören im halb gefüllten Festsaal von einem „Zinkinisten“, der als Turmpfeiffer vom Blitz wurde und einem anderen , der nach Verlust des Gleichgewichts vom Kirchsturm stürzte. Eine Dreiviertelstunde nehmen die Musiker die Besucher in Beschlag, dann sind sie entlassen zur KulturStation 2 auf dem Burg-Rundweg . An der Skulptur von Hannes Forster gibt es das meiste Stirnrunzeln. „Was soll das sein?“ „Auf jeden Fall ist es handwerklich gut gemauert“, sind die höflicheren Kommentare zu der aus handgefertigten Ziegeln erstellten Skulptur mit dem Titel „Über Kreuz“. Rätsels Lösung: Das Kunstwerk soll ein Abbild eines Stützpfeilers sein, wie sie um die Burg zu Dutzenden stehen.

Feuerwerk von Rhythmen, Tönen und Worten

Altena. (ina) Am Deutschen Drahtmuseum wartete Kultur Station 3.

Der Klangtempel von Paul Fuchs besteht aus großem Steinxylophon, langen Ballastsaiten und weiteren überdimensionalen Instrumenten, die Industrietönen in den abendlichen Altenaer Kulturhimmel schicken. Geballt in Betrieb erzeugen sie ein Feuerwerk aus harmonisch aufeinander abgestimmten Tönen. Mittendrin steht Hariolf Schlichtig – und improvisiert versunken auf der Bratsche. Doch bis es dazu kommt, haben viele den Hof wieder verlassen. Der leise und langsame Einstieg, das minutenlange Kugelrollen als Vorspiel für die Improvisationen halt viele Besucher nicht auf dem Platz. Kaum einer weiß, was in den beiden steckt – und der Konzerttitel „Zwischen Föhnhechte und Stahlhagel“ hilft auch nicht weiter. Bevor noch stundenlang die Kugel rollt, zieht ein Teil der Besucher weiter zur Mittleren Brücke, KulturStation 4: Dort, im Eiscafe Cappuccino wird es gemütlich. Bei einer Tasse Cappuccino, leckerem Eis und Sahnewaffeln macht es Spaß, Zé do Rock zuzuhören. Der aktuelle Literatur-Stipendiat der Kulturkonferenz, hat seine Überlegungen über den Sinn und Unsinn der deutsche n Sprache in eine kurzweilige Literatur-Show verpackt, die er gemeinsam mit dem Schauspieler Martin Luning vorträgt. Temperamentvoll stellt Zé do Rock seine witzigen und sprachschöpferischen Schreib- und Lesetechniken vor. Warum die Reform notwendig ist? Zé do Rocks Antwort ist eindeutig : „Das Weib ich sächlich; die Sache ist weiblich!“

Überspannend

Darüber kann jeder auf der letzten Etappe weiter philosophieren. auf dem Weg zur Kulturstation 5 auf dem Behördenparkhaus. Viele laufen an diesem schönen Sommerabend, andere nehmen den Bürgerbus, der zwischen allen Stationen pendelt. Jeder der Lust hat. kommt problemlos in der Dunkelheit am Parkdeck an – und wartet gespannt auf die Lichtskulpturen von Andreas Kaufmann. Burgfräulein verkürzen das Warten mit Kaffee und Snacks. Dann geh t das Licht an – und ein riesiger Mann erscheint auf dem Burgberg. Mehr nicht. Das ist die ganze Kunst. Viele treten den Heimweg an. Keiner sieht den seltenen 6000-Watt-Projektor, der für dieses Kunstwerk nach Altena geschafft werden musste. Kaum einer weiß, dass der riesige Mann auf dem Burgberg Cecil Rhodes ist, ursprünglich abgebildet im Altenaer Drahtbuch auf dem afrikanischen Kontinent und beim Aufbau des Telegrafennetzes mit Hilfe von Draht. Kaum einer weiß, dass der Künstler Andreas Kaufmann ebenfalls in der Dunkelheit steht und gerne von seiner Idee hinter dieser Lichtskulptur und der Verfremdung des Bildes erzählt. Kaum einer merkt, dass das „fehlende“ Bein von Cecil Rhodes nicht hinter den Häusern verschwunden ist, sondern noch auf dem Parkhausdeck steht. Denn er verbindet an diesem Abend nicht wie im Original-Bild Kontinente, sondern mit Draht überspannend die Berge über die Lenneufer hinweg.