25-jahre-mkk-literatur-und-musik-loteten-ihre-grenzen-aus-lange-nacht-in-der-stadtbucherei-war-ein-echter-publikumsmagnet-westfalische-rundschau-25-09-2002

Märkischer Kreis. (MS) Literatur und Musik, Worte und Klänge, Text und Ton in Grenzbereichen, avantgardistisch, experimentell, in Aufbruchsstimmung zu neuen Ufern: In der „Langen Nacht der Literatur und Musik“ in der Lüdenscheider Stadtbücherei, am Samstagabend im Rahmen der „grenzgänge“ anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Märkischen Kulturkonferenz (MKK) in Kooperation mit den „Lichtrouten“ veranstaltet, loteten Musik und Literatur ihre Grenzen aus und wagten sich auf neue Wege.

Anfangs ein wahrer Publikumsmagnet – selbst stehend von hintersten Rangen verfolgten die Zuhörer das Geschehen – zur vorgerückter Stunde Nachtschwärmern vorbehalten, geriet der Abend zum Forum der Begegnung mit ehemaligen Stipendiaten der MKK originellem, ausgefallenem „grenzgänge“-Event. Mit von der Partie, die „Lange Nacht der Literatur und Musik“ zu gestalten, waren Ralf Rothmann (Märkisches Stipendium für Literatur 1986), Reinhard Kaiser (Stipendium 1995), Liane Dirks (Stipendium 1999), „das ensembles mosaik“ unter Leitung von Enno Poppe (Märkisches Stipendium für Musik 1994) sowie das Duo Mitch Heinrich (Stimme) und Florian Stadler (Akkordeon). Kompositionen von Martin Herchenröder (Märkisches Stipendium für Musik 1986), Frank Zabel u.a. rundeten das facettenreiche Geschehen zwischen den Sparten, zwischen Wortklängen und Tongedichten, zeitgenössischer Musik und zeitgenössischer Literatur. Die zunächst angekündigte Lesung von Burkhard Spinnen (Märkisches Stipendium für Literatur 1996) entfiel. In seiner Begrüßung schlug Klaus Cummenerl, Vorsitzender der MKK, einen Bogen von den Lichtrouten zu den „grenzgängen“, als Versuch zu verstehen, strenge Grenzlinien zwischen Literatur, Musik und bildender Kunst aufzubrechen. Nach der unmittelbar vorausgegangenen Vorstellungen der neuen Illuminationen des Graf-Engelbert-Platzes „blinzelten“ die „Lichtrouten“ nicht zuletzt durch die farbige Ausleuchtung des Bücherei-Obergeschoss-Rundgangs in die Veranstaltung hinein.In lockerer, entspannter Atmosphäre ließen sich die Zuhörer auf literarisch-musikalische Zwischentöne ein. Mit Ausschnitten aus neuen, teils noch nicht veröffentlichten Werken bestimmen Ralf Rothmann, Liane Dirks und Reinhard Kaiser das literarische Geschehen. Mit Gedichten und Prosa nah Ralf Rothmann für sich ein. Nach einer Nierentransplantation kehrte sein „Brümmerchen“ (aus: Ein Winter unter Hirschen) aus der Todeszone ins Leben zurück, um unerklärliches Wissen reicher. Dem Thema „Lust“ näherte sich Liane Dirks auf heitere, verschmitzte Art „Als der Herr J. auf dem Trottoir einen Ausrutscher hatte…“, für eine Anthologie geschrieben, nahmen köstliche Peinlichkeiten ihren Lauf. In der noch nicht publizierten Geschichte „Elfenbein und Erleuchtung“ rang Reinhard Kaiser ebenso amüsant um den Zusammenhang von Schrift und Klaviertastatur. Zeitgenössischer Musik in unterschiedlichsten Facetten, äußerst reduziert in der Tonsprache oder zu diffizilen Klangräumen verdichtet, gaben die „grenzgänge“ mit Kompositionen von Orm Finendahl, Martin Herchenröder, Frank Zabel, Alex Arteaga und Enno Poppe breiten Raum. Unter Leitung von Enno Poppe kehrte das „ensemble mosaik“ 1997 aus einer Initiative junger Instrumentalisten und Komponisten der Hochschule der Künste Berlin hervorgegangen, Handschriftenhervor und brach auf zu neuen Ufern. In unterschiedlicher Besetzung reizten die Musiker der Klangfarben von Finnendahls „Fallstudien“ Herchenröders „kontakte(n) III“, Arteagas „Innerhalb „ und Poppes „Holz“ aus – und ließen die Erstaufführung von Frank Zabels „Concerto (per) piccolo“ mit virtuosem Part für die Piccoloflöte, eindrucksvoll interpretiert gelingen. Endgültig verwischten sich die Grenzen zwischen Literatur und Musik in den Beiträgen von Mitch Heinrich und Florian Stadler, Stimme und Instrument, höchst ungewöhnlich, zugleich irritierend wie amüsierend, im Dialog.